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Fachartikel


Die Bedeutung der inneren Landkarten im Mediationsprozess
von Mag. Nicole Starkel und Mag. Marion Zeilhofer
Was ist mit „innerer Landkarte“ gemeint und wie entsteht sie?

Dieser Begriff steht symbolisch für die im Verlauf des Lebens erworbenen Wahrnehmungs-, Denk- und Zuordnungsmuster. Erfahrungen mit dem sozialen Umfeld werden auf eine bestimmte Art abgespeichert und künftige Erfahrungen mit derselben Thematik werden auf Basis dieser Referenzerfahrung interpretiert. Man könnte die innere Landkarte auch als einen Wahrnehmungsfilter bezeichnen.

So entwickelt jemand, der von seinen Eltern häufig positive Rückmeldungen auf eigene Leistungen erhält, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, erwirbt also positive Referenzerfahrungen in Bezug auf die eigene Leistungsfähigkeit und deren Wahrnehmung durch andere Personen. Es entsteht eine entsprechend positive innere Landkarte – also eine positive innere Einstellung zu den eigenen Fähigkeiten und ein spontanes Vertrauen darauf, dass diese auch von anderen Menschen wertgeschätzt werden. Diese Person wird im weiteren Lebensverlauf die Reaktionen anderer Menschen auf die eigenen Leistungen tendenziell als positiv wahrnehmen, oder anders gesagt – nach dem Motto „das Glas ist halbvoll“ - die positiven Aspekte aus deren Reaktionen herausfiltern. Eine andere Person, die für gleichwertige Leistungen von ihren Bezugspersonen in jungen Jahren keine oder mehrheitlich kritische Rückmeldungen erhalten hat, wird als Folge die eigenen Fähigkeiten als vergleichsweise gering einschätzen und aus den Reaktionen Anderer auf die eigenen Leistungen – nach dem Motto „das Glass ist halb leer“ - die negativen Aspekte herausfiltern.

Wir haben in unseren Köpfen also nicht die Realität selbst, – zB eigene, real vorhandene Fähigkeiten - sondern ein durch Vorerfahrungen geprägtes reduziertes bzw. verzerrtes Abbild.


Wie wirken innere Landkarten in der Kommunikation?

In der Kommunikation aktivieren SenderIn und EmpfängerIn sozusagen ihre subjektiven inneren Landkarten. Der/die SenderIn verpackt in seine/ihre Mitteilung Informationen (Gedanken, Gefühle, Absichten, Kenntnisse), die der eigenen inneren Landkarte entsprechen. Der/die EmpfängerIn interpretiert diese Informationen mehr oder minder unbewusst auf Basis der eigenen inneren Landkarte bzw. gefiltert durch den eigenen Wahrnehmungsfilter.
So wie sich „echte“ Landkarten voneinander unterscheiden – zum Beispiel in Bezug auf den Maßstab, auf die verwendeten Farben oder die eingezeichneten Inhalte, so stimmen normalerweise auch die inneren Landkarten zwischen SenderIn und Empfängerin zumindest nicht gänzlich überein. In der Kommunikation können daraus Probleme resultieren. Es ist daher hilfreich, zu wissen, dass es
a) unterschiedliche innere Landkarten gibt und
b) der Versuch gemacht wird, sich auf die innere Landkarte des Gesprächspartners einzustimmen, diese kennen zu lernen.


Anwendung des Modells in der Mediation

Anhand von folgendem Beispiel wird die Wirkungsweise unterschiedlicher innerer Landkarten verdeutlicht:

Kollegin A, die schon längere Zeit in einer Firma arbeitet, schaut ihrer neuen Kollegin B ständig über die Schulter, stellt Fragen zu der von ihr verrichteten Arbeit und gibt ihr Ratschläge. Mit diesem Verhalten beabsichtigt sie, ihre Kollegin bei der Einarbeitung zu unterstützen. Als sie selbst angefangen hatte, in dieser Firma zu arbeiten, wurde sie von niemandem eingeschult und hätte sich diese Art von Unterstützung gewünscht. Kollegin A ist allerdings verunsichert und gekränkt über das zunehmend einsilbige und abweisende Verhalten von Kollegin B. Diese empfindet das Verhalten von Kollegin A als bevormundend und kontrollierend und hat den Eindruck, dass ihr keine Kompetenz zugetraut wird. Das Verhalten von Kollegin A irritiert sie deshalb ganz besonders, weil ihr ehemaliger Vorgesetzter ihr gegenüber kleinlich und kritisch war und sie keinerlei eigenständige Entscheidungen in ihrem Arbeitsbereich treffen ließ.

In diesem äußerst praxisrelevantem Beispiel
- sind beide Seiten stark durch ihre Vorerfahrungen geprägt
- fehlt das Bewusstsein für die Unterschiedlichkeit der Sichtweise bzw. inneren Landkarte der Kollegin
- ist der Leidensdruck groß
- fühlen sich beide von der anderen Seite schlecht behandelt und sehen sich daher in der Opferrolle

Im Mediationsprozess würde man in so einem Fall folgendermaßen vorgehen:

Im ersten Schritt werden die beiden Kolleginnen gebeten, die Situation nacheinander so zu schildern, wie sie sie erleben. Im Anschluss daran werden durch entsprechendes Nachfragen des Mediators/der Mediatorin die Hintergründe für die jeweiligen Verhaltensweisen und die zugrunde liegenden Bedürfnisse beleuchtet und auf diese Weise für beide Konfliktparteien transparent gemacht. In diesem Schritt erhalten die Konfliktparteien somit Einsicht in die innere Landkarte der anderen Seite. Es wird dadurch wechselseitiges Verständnis für die Verhaltenweise der anderen Partei ermöglicht Dadurch ist es nicht mehr notwendig, in der Opferrolle zu verbleiben und die negativen, blockierenden Gefühle können sich auflösen. So wird die Basis für die nächsten Schritt, das Sammeln und Evaluieren von Lösungsoptionen und die Auswahl (einer) geeigneter Lösung(en) bzw. Vereinbarungen geschaffen.


Autorinnen.
Mag. Nicole Starkel
Mag. Marion Zeilhofer

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